Karsamstag 2020
Karsamstag 2020 - Stillstand
Karsamstag 2020 – mehr als ein Tag. Zustand der Welt.
Wie getrieben waren wir eigentlich? Wie unvorstellbar war für uns, dass auch mal alles stillstehen kann. Dass die Logik von beständigem Wachstum, Gewinnmaximierung, Selbstoptimierung, Erlebnissteigerung und grenzenloser individueller Freiheit plötzlich in Frage stehen könnte – noch zu Jahresbeginn undenkbar. Und nun steht alles still.
Karsamstag. Der Sabbat nach dem Tode Jesu. Ein „großer Feiertag“ (Joh 19,31).
In Dom- und Klosterkirchen feiert man an diesem Tag normalerweise die Karmetten, Gesänge und Lesungen aus dem Buch der Klagelieder, Lieder tiefer Erschütterung. Sie beklagen die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und das Leid des Babylonischen Exils.
Wenn der Sabbat vorüber sein wird, wird der Ostermorgen anbrechen. Wie aber wird er sein, der Ostermorgen nach „Corona“? Manche hoffen auf „Wiederauferstehung“ – ein Wort, das sich in der jährlichen Berichterstattung zum christlichen Osterfest hartnäckig festgesetzt hat. „Wiederauferstehung“ – dann könnten wir da wieder weitermachen, wo wir aufgehört haben. Möglichst bald zurückfinden zu den alten Routinen.
Meine Sehnsucht aber heißt Auferstehung. Neues Leben – nicht nur für die Toten, sondern auch für die Lebenden. Eine neue Welt in menschlichem Maß, Solidarität und Gerechtigkeit für alle.
Es seufzt in mir:
Herr, sende aus deinen Geist und erneuere das Antlitz der Erde.
Text: Dr. Judith Müller